Abseits der Stadt.

Baden war stets der Dreh- und Angelpunkt der jüdischen Gesellschaft südlich von Wien. Allerdings gab es auch in den angrenzenden Gemeinden eine äußerst aktive jüdische Kultur.

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Bezirk Baden

Synagoge Gainfarn, Bad Vöslau

In der heutigen Petzgasse 3 (früher Brümmerstraße 3) in Bad Vöslau liegt die Vöslauer Synagoge. Erstmals scheint die Synagoge offiziell in der Heiratsmatrikeln der Badener Kultusgemeinde 1906 auf. Davor wird sie auch schon als „Israelitisches Bethaus“ im Orientierungsschema von Vöslau genannt. Der Betsaal verfügte über ein circa 60 m² großes Herren- und ein 20 m² großes Damenabteil.

Peter Herz 1931 - Sommer in Vöslau (0,6 MB)
Mit freundlicher Genehmigung der Peter Herz Stiftung / AKM

1938 wurde die Synagoge sichergestellt und das Inventar zur Kultusgemeinde nach Baden gebracht. Anfangs sollte das Haus der Hitlerjugend zur Verfügung gestellt werden. Diese lehnten das Haus jedoch ab, da es „nicht schön gelegen und über keine Morgensonne und keine Fenster, die zur Morgensonne gewendet sind“ verfügt.

Bis Juni 1939 wurde das Haus vom „Musikzug“ der Kommandantur des Fliegerhorstes Vöslau als Übungslokal verwendet. Im November 1939 wurde die Liegenschaft arisiert. Im Rückstellungsverfahren von 1951 wurde festgestellt, dass der Ariseur den Kaufpreis nicht der Kultusgemeinde zukommen hat lassen. In einem Vergleich mit der IKG Wien wurde sich 1952 darauf geeinigt, dass gegen eine Zahlung von 8.000 Schilling auf die Rückstellung verzichtet wird.

Mühlhof, Bad Vöslau

1923 wurde durch den „Verein für israelische Ferienkolonien – Ferienheim“ die Liegenschaft in der Mühlgasse 8 – 10 gekauft. Der sogenannte Mühlhof bot 80 bis 100 Kindern aus ärmeren jüdischen Familien über die Sommermonate einen erholsamen Landaufenthalt mit koscherer Verköstigung. Als Präsidentin und unermüdliche Kämpferin für wohltätige Projekte für Kinder fungierte Sophie Grünfeld (1856 – 1946).

Am 04.07.1932 kam es zum Brand des Dachstuhls. Die Brandursache konnte durch die Feuerwehr nicht festgestellt werden. Im März 1938 wurden Teile des Inventars des Mühlhofs durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt. Im Jänner 1939 wurde der Verein aufgelöst und die Liegenschaft in der Mühlgasse in das Eigentum der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt eingewiesen.

1952 wurde die Liegenschaft an die IKG Wien rückgestellt. In weiterer Folge wurde der Mühlhof „geschliffen" und das freigewordene Grundstück verkauft.

Florakolonie, Bad Vöslau

Spätestens ab dem Jahr 1925 unterhielt ein in Wien ansässiger israelischer Humanitätsverein eine Ferienkolonie in der Florastraße 15. Der Betrieb wurde wahrscheinlich 1933 eingestellt. Ab 1934 fanden sich in keiner relevanten jüdischen Zeitung mehr Inserate die, die alljährliche Ferienkolonie bewarben.

Das Ferienheim in der Florastraße 15 bot insgesamt bis zu 150 Kindern Platz.

Jüdischer Bethausverein, Bad Vöslau

1894 suchte die in Bad Vöslau und Gainfarn ansässigen Juden um die Errichtung eines israelitischen Bethausvereines bei der niederösterreichischen Stadthalterei an. Diesem Antrag wurde von der NÖ Stadthalterei stattgegeben. Ab 1906 wurde im Haus Petzgasse Nr. 3 eine Synagoge unterhalten und 1910 wurde die Liegenschaft gekauft.

Nach einem Streit mit der Badener Gemeinde und deren Rabbiner Dr. Carlebachs im Zusammenhang mit der Koscherfleischfrage stellte die jüdische Gemeinde Vöslau 1933 beim Bundesministerium für Unterricht und Kultur den Antrag zur Errichtung einer selbstständigen Gemeinde. Man konnte sich auf einen Kompromiss einigen. Der letzte Präsident des Vöslauer Bethvereins war Dr. Leo Heller. Seiner Frau und ihm gelang die Flucht in die USA. Der Jüdische Bethausverein Vöslau wurde im Oktober 1938 mit Bescheid des Stillhaltekommissars aufgelöst.

Ferienheim, Kottingbrunn

In der jüdischen Wochenzeitung von 17.10.1930 wird berichtet, dass der Kultusvorstand die Errichtung einer eigenen Ferienkolonie in Kottingbrunn bewilligt hat. Im publizierten Budget der Wiener Kultusgemeinde 1931 sind dafür auch Geldmittel vorgesehen. Ab 1932 wurde die Ferienanlage genutzt und stand unter der Leitung von Frau Schwarz.

Voraussetzung für den Besuch des Ferienheims war ein C (schlechteste) Gesundheitsbefund. Insgesamt fanden circa 200 Kinder auf dem Areal Platz. Das Ferienheim befand sich vermutlich auf der alten Trabrennbahn (Hammerer Gestüt).

Betstube Lungenheilanstalt, Alland

1898 wurde die von Leopold Theyer geplante und von Franz Berger erbaute Heilanstalt für Lungenkranke errichtet. Der Anteil an jüdischen Gästen dürfte immerhin so hoch gewesen sein, dass ein eigener Gebetsraum für jüdische Gäste eingerichtet wurde.

Insgesamt standen acht Bänke in den Beträumlichkeiten für die Patienten zur Verfügung. Männer und Frauen waren durch eine vergitterte Holzwand voneinander getrennt. Über den Verbleib der Einrichtungsgegenstände ist nichts bekannt. Zu den Spendern zählten unter anderem die „jüdischen Patienten der Heilanstalt Alland“ mit einem Spendenbetrag von 500 Schilling.

Synagoge, Berndorf

In zahlreichen Berichten - unter anderem in der Onlineausgabe des Standards von 09.11.2003 sowie auf ORF Online von 09.11.2011 - ist von der Demolierung einer Synagoge in Berndorf die Rede. Diese Behauptung geht auf das Buch „Verfolgung und Selbstbehauptung. Die Juden in Österreich von 1938 bis 1945“ von Dr. Herbert Rosenkranz zurück. MMag. Elie Rosen hat in seinem Buch das Vorhandensein einer Synagoge bzw. ein Betstube in Berndorf allerdings (zumindest für die 1930iger Jahre) widerlegt.

Synagoge, Oberwaltersdorf

Im Haus in der Badener Straße 13 soll sich eine Synagoge befunden haben. Dies wird im Buch Topographie des Erzherzogthums Österreich im 4. Band behauptet.

Denkmal, Weissenbach a. d. Triesting

Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Weissenbach an der Triesting wurde auf Initiative von engagierten Privatpersonen und der Direktion sowie den Lehrerinnen und Lehrern der Hauptschule Weissenbach an der Triesting eine Gedenkseite (ein Denkmal) beim Schulgebäude errichtet.

Bezirk Mödling

Entlang der gesamten Südbahnlinie gab es ein aktives jüdisches Leben - so auch in Mödling. Bereits 1860 gründete sich ein eigener Bethausverein, der wiederum einen eigenen jüdischen Friedhof anlegte. 1888 wurde der Bauplatz für die spätere Synagoge in der Enzersdorferstraße 6 durch den Bethausverein erworben. 1892 gründete sich eine eigene Israelitische Kultusgemeinde für Mödling. In den Jahren 1912 bis 1914 wurde nach Plänen des Architekten Ignaz Nathan Reiser die Mödlinger Synagoge errichtet.

Sie wurde im Zuge des Novemberpogroms in Brand gesteckt, verwüstet und in Brand gesteckt. In den Folgejahren wurde das jüdische Leben in Mödling systematisch ausgelöst, die IKG Mödling aufgelöst und die meisten jüdischen Bewohner deportiert. 1987 wurden die Synagogenruine abgetragen. Heute erinnert ein Mahnmal am ehemaligen Synagogenstandort an das jüdische Leben in Mödling.

Die Initiatorengruppe „Mödlinger BürgerInnen“, die Stadtgemeinde Baden sowie der Bildhauer Gunter Deming verwirklichten auch das Projekt „Stolpersteine“ in Mödling. Im Zuge einer der Diplomarbeit von Julia Neuruhrer an der TU Wien wurde die Synagoge virtuell rekonstruiert. In Hinterbrühl erinnert eine Gedenkstätte an das KZ Außenlager von Mauthausen.

Bezirk Wiener Neustadt

Aufgrund der geografischen Gegebenheiten war die jüdische Gemeinde in Wiener Neustadt ebenfalls sehr eng mit jener in Baden verbunden. Zeitgenössische Zeitungsartikel belegen einen regen Austausch zwischen den beiden Gemeinden.

1871 erhielt die jüdische Gemeinde in Wiener Neustadt den Status einer „Israelitischen Kultusgemeinde“. 1888 wurde eine Liegenschaft für einen jüdischen Friedhof gekauft. 1902 wurde nach Plänen von Wilhelm Stiassny die Synagoge am Baumkirchnerring 4 errichtet. Wilhelm Stiassny zeichnete ebenfalls die Pläne für die Zeremonienhalle des jüdischen Friedhofs in Baden. In der Nacht von 9. auf 10. November wurde die Synagoge verwüstet und schwer beschädigt und das jüdische Leben in den Folgejahren sukzessive ausgelöscht.

Ein engagiertes Projekt von Mag. Dr. Werner Sulzgruber erinnert heute an die jüdische Gemeinde in Wiener Neustadt. Die Informationen sowie empfehlenswerte Lernmaterialien für Schulen werden auf einer eigenes dafür eingerichteten Webseite über die jüdische Gemeinde Wiener Neustadt zur Verfügung gestellt. Auf die Initiative des Arbeitskreis „Stolpersteine für Wiener Neustadt“ geht die Verlegung von Stolpersteinen in Wiener Neustadt zurück. Im Zuge einer Diplomarbeit an der TU Wien von Susanne Schwarz wurde die Synagoge in Wiener Neustadt ebenfalls virtuell rekonstruiert.

Weitere Erinnerungsprojekte in NÖ

Wien

Herklotzgasse 21

Eine private Initiative arbeitete engagiert die bis zu diesem Projekt noch recht unbekannte Geschichte der Juden in Rudolfsheim-Fünfhaus auf. Rund um den Turnertempel gab es einen jüdischen Kindergarten, eine jüdische Armenausspeisung, eine Makkabi Ortsgruppe, sowie jüdische Fürsorgevereine und eine zionistische Bezirksorganisation.

Ein Audioguide für zahlreiche mit zahlreichen Informationen zum jüdischen Leben „im Grätzl“ rund um den Turnertempel steht auf der Webseite ebenfalls zur Verfügung. In Kooperation mit W24 werden die Lebensgeschichten von Jüdinnen und Juden aus Wien XV auf W24 und im Internet unter w24.at gezeigt.

Weitere Erinnerungsprojekte im Wien

Burgenland

Im Burgenland gab es aufgrund der relativ liberalen Ansiedlungspolitik von Paul I. Fürst Esterházy speziell in sieben Gemeinden daher auch die Bezeichnung Siebengemeinden eine aktives jüdisches Leben. 1670 wurden die Juden von Leopold I. aus Wien und Niederösterreich vertrieben. Paul I. Fürst Esterházy erlaubte ihnen gegen eine Schutzgebühr sich in seinem Herrschaftsgebiet niederzulassen. Der spätere Zuzug von Juden in Baden stammte größtenteils aus diesen Gebieten.

Österreichweit

Israelitische Kultusgemeinden

Israel & Österreich–Israelische Beziehungen

Meldestelle für Nationalsozialistisches Gedankengut

Jüdische Zeitschriften & Zeitungen

Erinnerungsprojekte & Shoah Dokumentationszentren

Museen

Literaturverzeichnis

  • Schärf T. (2005): Jüdisches Leben in Baden - Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Mandelbaum Verlag, 1. Aufl.
  • Duizend-Jensen A. (2004): Jüdische Gemeinden, Vereine, Stiftungen und Fonds: "Arisierung" und Restitution, Oldenburg, 1. Aufl.
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